Gerade waren wir im Kino – eine Freundin meiner Tochter, meine Tochter und ich. Der Film war gut. Mir ist ein bisschen flau, weil ich zu viel Popcorn und Nachos mit Käsesauce durcheinander gegessen habe. Wir hatten einen schönen Nachmittag in Oberkassel.
Und doch gibt es etwas, worauf ich aufmerksam machen möchte: Meine Tochter ist im Rollstuhl unterwegs. Im Kino ist nicht viel los, nahezu gähnende Leere herrscht, die Mitarbeiter sind meist mit ihren Telefonen beschäftigt. Wir kaufen die Karten. Bei der Platzwahl suchen wir uns Plätze etwa Mitte-Mitte aus. Wisst ihr eigentlich, welche scheiß Plätze man als Rollstuhlfahrer bekommt? Ganz vorne – ganz links – vielleicht könnten die Beine sogar die Leinwand berühren – also so wirklich gar nicht gut. Aber darum soll es hier gerade nicht gehen.
Die Dame an der Kasse muss ihren Kollegen fragen, wie man einen Schwerbehindertenausweis einbucht. Mein Mann hat »behindert« mit einem kleinen Aufkleber überklebt und »in Ordnung« draufgeschrieben – diese Idee ist nicht von uns –, aber ich liebe meinen Mann jedes Mal so sehr dafür – wenn ich den Ausweis aus meinem Portemonnaie ziehe – weil er es so einfach gemacht hat – das Überkleben. SchwerInOrdnungAusweis versus Schwerbehindertenausweis. Aber auch das ist ein anderes Thema.
Der Kollege kommt, macht eine nickende Kopfbewegung in Richtung meiner Tochter: »Kann sie denn aufstehen?« Ich verneine. »Ich trage sie zu ihrem Platz.« Er nuschelt etwas von Notausgängen – aber wenn es ja nicht sein muss …
Wir sind etwas spät dran und beeilen uns. »Sie können den Rollstuhl aber nicht im Kino irgendwo hinstellen«, wird uns gesagt. »Lassen Sie ihn einfach draußen stehen.« Ich kann darauf erst mal gar nicht antworten. »Ach, da passiert schon nix«, wird hinterhergeschickt. Dass nicht jedem klar ist, wie wichtig, wertvoll, unverzichtbar, kostbar, fast schon sakral ein persönlicher Rollstuhl ist, ist mir inzwischen bewusst. »Oder Sie bringen ihn wieder hierher zur Kasse, da können sie ihn auch abstellen«, kommt auf meine Nicht-Reaktion. Darauf schlage ich vor, ich könne ihn doch vielleicht einfach auf einen Rollstuhlplatz im Kino stellen? Nuscheln, Schweigen, ein gepresstes »Ja, dann machen Sie halt das.«
Ich lasse den Rollstuhl vor der Treppe des Kinosaals stehen, trage meine Tochter zum Platz, hole dann den Rollstuhl, die Treppe rauf, um ihn im Kino wieder die Treppen runterzutragen und ihn auf einen der Rollstuhlplätze abzustellen. Es tickert weiter in meinem Kopf: Mhhm, ach so, waren die vielleicht deshalb so verhalten, weil wir den Rolliplatz ja gar nicht gebucht haben? Und dort auch nicht sitzen (wollen)? Ach egal, soweit ist alles geschafft, die Werbung läuft – ich flitze noch mal schnell raus, um Nachos und Popcorn zu holen. Das schaffen wir logistisch nicht anders.
Als der Film vorbei ist, sehe ich, wie ein kleines Mädchen von etwa fünf Jahren ganz selbstverständlich den Notausgang nutzt. Ich denke mir: Komm, wir gehen da auch raus. Und – man glaubt es kaum – es ist ganz einfach. Rein und raus, ohne Treppen, umständliches Abstellen, Tragen, Wiederholen. Hoch, runter, wieder zurück.
Das wurmt mich dann doch. Als wir durch das nach wie vor gähnend leere Kino zum Ausgang unterwegs sind, beschließe ich, dies freundlich rückzumelden, und spreche den ins Handy vertieften Mitarbeiter von vorhin an.
»Ja, man kommt halt nur raus, nicht rein«, sagt er. – »Mann, ist doch logisch«, sagt sein Blick.
Ich frage ihn nett, ob er denn gar nicht auf die Idee gekommen sei, uns einfach kurz aufzuschließen, uns das anzubieten. Er kennt ja schließlich die Wege.
»Wenn Sie wollen, lasse ich Sie da kurz rein«, hätte er zum Beispiel sagen können. »Ist doch kein Ding.«
Er stammelt etwas: »Also, die von oben wollen das nicht. Notausgänge sollen ja schließlich Notausgänge sein.«
Ich frage, wer denn »die von oben« seien. Er schaut mich irritiert an und fühlt sich offensichtlich angegriffen, obwohl ich wirklich nett und freundlich bin – finde ich. Und finden auch die beiden Mädels. Auch sie sind nett, lächeln.
Ich belasse es dabei und bitte abschließend nur darum, das doch vielleicht mal zu überdenken.
#makeLoveGreatAgain – das fängt im Kleinen an.
Daher habe ich beschlossen, all diese kleinen Dinge, die wir im Alltag so erleben, von nun an aufzuschreiben und mitzuteilen. Vielleicht findet es im Kleinen Beachtung – und dadurch kann sich etwas ändern.
Warum ich so lange damit gewartet habe? Sicherlich hätte ich schon so, so, so vieles aufschreiben können. Wahrscheinlich musste erst etwas heilen und kann dies nun auch dadurch weiter tun – indem ich es aufschreibe. Wer weiß.
sf | March 15, 2025
Oh, liebe Steffi! Danke, dass du das hier aufgeschrieben und die Situation auf diese Weise für uns nachspürbar gemacht hast! Bitte weiterschreiben! Denn genau diese Geschichten brauchen wir! Alles Liebe, ihr seid großartig!!!