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Goldene Eicheln, kleine Rituale, das Wir und das Nicht-Wir

Gestern saß ich mit meiner Jüngsten am Tisch.
 Die Wintersonne kommt hervor und wir basteln kleine Bandenanhänger: 
golden besprühte Eicheln, 
an einer Schnur, 
zum Umhängen. So etwas Einfaches 
und plötzlich ist da ein Gefühl von Ritual:
 Wir machen etwas sichtbar, das eigentlich unsichtbar ist.
 Zugehörigkeit.

Banden entstehen dort, wo Herzen im gleichen Tempo schlagen. 
Manchmal fängt es mit einem Blick an, 
manchmal mit einen Geheimnis, 
manchmal einfach nur mit dem Bedürfnis, nicht allein durch die Welt zu laufen. Banden sind kleine Inseln. Sie haben oft geheime Namen,
 unsichtbare Regeln, 
Wörter, die nur in diesem Kosmos Bedeutung tragen.

Kinder gründen sie, weil sie üben,
 was es heißt, Teil einer Welt zu sein.
 Sie testen Grenzen, Nähe, Loyalität.
 Sie spielen Gemeinschaft nach,
 lange bevor sie verstehen, wie komplex sie ist.

Geschichtlich sind Banden nichts Neues.
S eit Menschen in Gruppen lebten, gab es kleine Untergruppen:
 Die Feuerkreis-Freunde in der Steinzeit,
 die Geheimbünde der Antike, die Kindercliquen in mittelalterlichen Dörfern, 
Straßengangs in Großstädten,
 Pfadfindergruppen,
Sommerferien-Freundschaftsverträge, 
beste Freundinnen mit Armbändchen. 
Ein immer wiederkehrendes Muster: 
Wir.


Ein Ort, an dem man sich aufgehoben fühlt, 
weil es bedeutet: Ich werde gesehen.

Die Drei Fragezeichen. 
Die Fünf Freunde. 
Ron, Harry und Hermine.
 Die verlorenen Jungs aus Peter Pan.
A strid Lindgrens Kindercliquen. 
Und all die unsichtbaren Nachbarschaftsbündnisse,
die niemals in Büchern landeten.

Doch wo es ein »Wir« gibt, 
entsteht automatisch ein »Nicht-Wir«.
 Das schmerzt. 

Weil wir spüren, wie tief der Wunsch nach Zugehörigkeit ist und wie schneidend sich eine kleine Tür anfühlt, die sich schließt.
Eine Bande kann Schutz sein, 
oder auch Macht. 
Sie kann ein Nest bauen, 
oder Grenzen ziehen.
Sie kann ein Zuhause sein 
oder ein Ort der Verletzung.
Aber am Ende
 sind Banden eine Schule für das Leben:
 wie wir Nähe formen,
 wie wir uns öffnen,
wie wir uns abgrenzen,
 wie wir lernen, alleine zu stehen,
 und wie wir wieder neue Türen in andere Welten finden.

Vielleicht ist die Bande meiner Jüngsten ein zartes Labor der Freundschaft. 
Vielleicht war die Bandenerfahrung meiner Mittleren ein Spiegel,
 der gezeigt hat, wie stark sie eigentlich ist, 
auch wenn es weh tat.

Nicht dazuzugehören ist eines der ältesten Menschheitsgefühle. 
Früher bedeutete Ausschluss Lebensgefahr. 
Heute fühlt es sich immer noch ähnlich an —
 das Nervensystem kennt die Geschichte. Nicht dazugehören schmerzt besonders, 
weil es das Gefühl berührt:
 Bin ich genug?
Bin ich richtig?

Aber das Nicht-Dazugehören ist nicht nur Schmerz.
 Es ist auch der Beginn von: Eigenständigkeit, innerer Stärke, Selbstwert. 
Viele später starke, sensible, kreative Menschen 
waren Kinder, die einmal draußen standen. Man könnte vielleicht sagen: 
Zugehörigkeit zeigt uns, wie wichtig Verbindung ist. 
Nicht-Zugehörigkeit zeigt uns, wie wichtig wir selbst sind.

Banden sind menschlich.
 Sie sind Versuche.
 Sie sind Geschichten.
 Sie sind Wachstum. Und am Ende bleibt meist etwas zurück:
 eine Erinnerung, 
ein Lachen,
 ein Schreck, 
eine Lektion,
 ein Faden.
 Ein leiser Beweis dafür, dass wir das Wir spüren – in kleinen Ritualen, in goldenen Eicheln, und dass wir auch das Nicht-Wir tragen, still, und doch mit uns verbunden.

Avatar sf | November 10, 2025

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